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Vom:
5.11.2025

Staatsmodernisierung im digitalen Wandel - ein neuer politischer Blick auf die Verwaltungsdigitalisierung

Autor:in
Dana Khosravi
Digitalisierung, Open Source und Kulturwandel machen Verwaltung handlungsfähiger, bürgernäher und effizienter. Modernisierung ist mehr als Technik – sie erfordert Struktur, politische Verantwortung und neue Denkweisen.

Die öffentliche Debatte um die Modernisierung von Staat und Verwaltung hat spürbar an Fahrt aufgenommen. Im Vordergrund steht die Frage: Wie kann der Staat wieder handlungsfähiger, bürgernäher und zukunftssicherer werden? Gerade aus politischer Sicht rückt angesichts dieser Herausforderungen die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen, inklusive Open Source Lösungen, stark in den Mittelpunkt. Ein kurzer Überblick der aktuellen Entwicklungen.

Warum die Modernisierung so dringend ist

Die viel beachtete „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ hat in ihrem Bericht im Frühjahr 2025 auf zentrale Schwächen der deutschen Verwaltung hingewiesen: zu viele Gesetze, deren Praxistauglichkeit kaum geprüft wird; zu starke Ressort Verzettelung; eine behördeninterne „Absicherungsmentalität“, die Innovationen bremst.

Parallel dazu konstatiert das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) für die Bundesverwaltung eine deutlich gestiegene Erwartungshaltung: Mehr als 80 % der Bürgerinnen und Bürger finden, der Staat erleichtere ihr Leben nicht, und neun von zehn Unternehmen sehen sich durch zu viel Bürokratie ausgebremst.

Vor diesem Hintergrund ist klar: Moderne staatliche Steuerung heißt nicht „mehr Gesetzgebung“, sondern „bessere Steuerung, effizientere Prozesse, digitaler Zugriff“.

Kernbereiche der Modernisierung

Das BMDS legt nun mit der „Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung“ fünf prioritäre Handlungsfelder fest: Bürokratierückbau, bessere Rechtsetzung, Bürger  und unternehmenszentrischer Service, zukunftsgerichtete Personalentwicklung sowie eine effizientere Bundesverwaltung.

Im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung konkretisiert sich das Zielbild unter dem Motto „Digital First“. So sollen Verwaltungsleistungen vollständig digital angeboten werden – „schnell, einfach und ohne unnötige Anträge“. Das heißt: nicht nur ein „digitale Oberfläche“, sondern eine umfassende Neuorganisation von Prozessen, Zuständigkeiten und Infrastrukturen, die Ende-zu-Ende Prozesse digital umsetzen können.

Drei sind dabei Dimensionen für die Umsetzung zentral:

1. Effizienzsteigerung und Nutzerorientierung – der Staat muss Leistungen so erbringen, dass Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen sie als sinnvoll, schnell und zuverlässig wahrnehmen.

2. Struktureller Wandel und Kulturwandel – es genügt nicht, digitale Tools einzuführen; es braucht eine Verwaltung, die anders denkt (agiler, kooperativer, risikofreudiger) und dabei auch von ihren jeweiligen Hausspitzen unterstützt wird.

3. Digitale Souveränität und Nachhaltigkeit – angesichts globaler technologischer Dynamiken wird die Unabhängigkeit von einzelnen Technologien, Anbietern oder Staaten zu einer politischen Aufgabe.

Chancen und Risiken der Verwaltungsdigitalisierung

Ein konsequentes Angehen dieser Handlungsfelder eröffnet neue Möglichkeiten und macht bestehendes effizienter. Allerdings wird es wichtig sein, sich an den oben genannten Dimensionen als Leitplanken zu orientieren. Denn eine verstärkte Digitalisierung der Verwaltung bringt nicht allein Chancen mit sich, sie birgt – wie jede Transformation – auch Risiken, die aktiv gemanagt werden müssen.

Chancen sind, unter anderem:

  • Die Digitalisierung bietet ein erhebliches Potenzial für Bürokratiereduktion. Das BMDS spricht vom Prinzip „once only“: Daten sollen nur einmal erfasst werden, danach intern verwaltet und zur Steigerung der Nutzendenfreundlichkeit immer wieder, auch proaktiv, genutzt werden.
  • Verbesserter Service Gedanke: Die Verwaltung wird näher an Nutzer:innen gebracht, Prozesse werden transparenter und schneller.
  • Innovationsdruck: Moderne Technologien (Cloud, KI, Plattformlösungen) eröffnen Möglichkeiten, auf neue Anforderungen flexibler zu reagieren.

Risiken sind, unter anderem:

  • Umsetzungslücken - viele Reformansätze bleiben rhetorisch. Beispielsweise bemängeln Expert:innen, dass Open Source Strategien bislang nicht konsequent umgesetzt werden. (so zum Beispiel in einer Expert:innen-Anhörung im Deutschen Bundestag)
  • Föderalistische Komplexität – In Deutschland sind Aufgaben auf Bund, Länder und Kommunen verteilt; Zuständigkeiten, IT Systeme und Prozesse divergieren stark. Das behindert eine ganzheitliche Digitalisierung.
  • Kultur und Organisation – Technik ist nur die eine Seite; die andere ist: Verwaltung muss bereit sein zu verändern. Ohne Kulturwandel bleibt Digitalisierung oberflächlich.
  • Neue digitale Abhängigkeiten – das verstärkte Setzen auf digitale Lösungen kann die Verwaltung effizienter machen. Allerdings sollten Lösungen und Anbieter mit Bedacht gewählt werden, damit stattliche Stellen nicht übermäßig abhängig von einzelnen Service- und Lösungs-Anbietern werden

Fokus: Open Source Lösungen – ein Schlüssel zur digital souveränen Verwaltung

Ein politisch hoch relevanter, aber oft übersehener Aspekt zur Verwirklichung der Potenziale und als Beitrag zum Management der Risiken ist die Nutzung von Open Source Software (OSS) in der Verwaltung und das aus mehreren Gründen. Open-Source-Software stärkt die digitale Souveränität, da staatliche Institutionen nicht übermäßig von einzelnen proprietären Anbieterinnen abhängig sind.

Gleichzeitig fördert Open-Source-Software die Nachnutzung, Vernetzung und Effizienz. Denn statt für jede Verwaltungseinheit getrennt Software und Lösungen zu entwickeln oder zu kaufen, kann gemeinsam entwickelt bzw. genutzt werden. So etwa die Plattform openCode, in der Verwaltungen getestete Open Source Lösungen teilen.

Open Source bietet das Potenzial für gesteigerte Transparenz, Sicherheit und Innovation, denn der Quellcode ist offen, Anpassungen möglich und Prüfungen nachvollziehbar. Das hat sich auch einmal mehr in der Expertenanhörung des Digitalausschusses des Deutschen Bundestages gezeigt, in der betont wurde, dass Open-Source-Software die Abhängigkeit reduziert und die Handlungsfähigkeit des Staates stärkt.

Politisch heißt das: Eine ernsthafte Modernisierung muss Open-Source nicht nur als schöne Zusatzoption verstehen, sondern als strategischen Schlüssel. Dazu gehört, Vergabeverfahren und Beschaffungslogiken so anzupassen, dass Open-Source Lösungen leichter eingesetzt werden können; es gehören auch eine öffentliche Förderung, Standardisierung und eine Verwaltungskultur dazu, die diese Offenheit begünstigt.

Politische Leitlinien für eine gelingende Staatsmodernisierung

Für eine gelingende Staatsmodernisierung ist es neben solchen technologischen Richtungsentscheidungen entscheidend, eine klare Vision mit messbaren Zielen zu entwickeln. Modernisierung darf nicht als endloser Prozess ohne Orientierung verstanden werden, sondern benötigt konkrete Zwischenziele, Verantwortliche und überprüfbare Kennzahlen. Dabei kann es hilfreich sein zu definieren, wie schnell eine Verwaltungsleistung digital erbracht werden kann. Aufgrund begrenzter Ressourcen ist es zudem notwendig, klare Prioritäten zu setzen und sich auf besonders wirkungs- und nutzerrelevante Prozesse zu konzentrieren.

Im föderalen System Deutschlands spielt auch die Interoperabilität eine zentrale Rolle: Gemeinsame Standards für Schnittstellen und Datenformate sind unverzichtbar, damit digitale Lösungen nicht isoliert nebeneinander existieren. Gleichzeitig sollte Open-Source-Software als strategischer Ansatz in der Verwaltung etabliert werden. Hierfür braucht es auf der Verwaltungsebene passende Rechtsrahmen, Förderprogramme und Vorbildprojekte.

Digitalisierung und Staatsmodernisierung gelingen überdies nur, wenn auch Personalentwicklung und Kulturwandel in den Behörden vorangetrieben werden; Qualifikationen, Führungsstrukturen und die Bereitschaft zu agilem Arbeiten müssen gestärkt werden. Schließlich ist Modernisierung kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein kontinuierlicher, iterativer Prozess, der ständige Anpassung, Lernen und politische Verantwortung erfordert.

Ein positives, aber realistisches Zwischenfazit

Festhalten lässt sich: Die Modernisierung von Staat und Verwaltung in Deutschland wird zunehmend ernst genommen. Mit dem Leitbild „Digital First“, der Modernisierungsagenda und der Förderung von Open Source werden wichtige Aspekte verstärkt nicht nur im Fach-, sondern auch in politischen und öffentlichen Diskursen verstärkt thematisiert.

Gleichzeitig gilt: Die Wirkung der Digitalisierungspolitik hängt maßgeblich von der Umsetzung ab. Technik allein reicht nicht – es braucht Strukturen, einen Kulturwandel, eine politische Verantwortungsbereitschaft und nicht zuletzt eine gute Kommunikation. Wenn es gelingt, Verwaltungsdigitalisierung nicht als IT Projekt, sondern als umfassende Staats- und Verwaltungsreform zu begreifen, kann Deutschland einen substanziellen Schritt nach vorne machen.

Abschließend ein Appell: Der Staat von morgen sollte nicht nur digital funktionieren – er sollte digital vertrauenswürdig, zugänglich und nachhaltig sein. Die Kombination von Nutzerorientierung, Effizienzsteigerung, Kulturwandel und Open Source Orientierung kann diesen Anspruch erfüllen. Wenn dies gelingt, besteht Anlass für Hoffnung – nicht zur schnelllebigen Euphorie. Denn der Weg bleibt anspruchsvoll, aber er lohnt sich.

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