E-Government
Vom:
28.7.2025

Barrierefreiheit beginnt im Kopf – und wird durch Gesetze konkret

Autor:in
Sara Mari
Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur ein technisches Detail, sondern eine gesetzliche Pflicht und ein Ausdruck moderner Verwaltungsarbeit. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) verpflichtet öffentliche Stellen, digitale Angebote – etwa Websites, Formulare und Apps – für alle Menschen zugänglich zu gestalten. Grundlage sind internationale Standards wie die WCAG 2.1. Der Beitrag erläutert die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene, erklärt zentrale Normen wie die EN 301 549 und macht deutlich: Barrierefreiheit beginnt im Kopf – mit Haltung, Bewusstsein und dem Willen zur inklusiven Digitalisierung.

Stellen Sie sich vor: Eine Bürgerin möchte ein Formular auf Ihrer Verwaltungswebsite ausfüllen. Sie nutzt einen Screenreader, weil sie blind ist. Doch das PDF-Formular lässt sich nicht korrekt vorlesen: die Felder sind nicht beschriftet, die Reihenfolge ist wirr. Die Folge: Das Anliegen kann nicht selbstständig erledigt werden.

Solche Situationen sind Alltag – und zeigen: Barrierefreiheit ist mehr als nur eine technische Anforderung. Sie beginnt im Kopf – mit Bewusstsein, Empathie und dem Willen, digitale Angebote für alle zugänglich zu gestalten. Für viele war der erste Aha-Moment ein unbedienbares Formular, eine App ohne Alternativtexte oder eine Webseite ohne Tastaturbedienung.

Was war Ihr persönlicher Aha-Moment in Sachen Barrierefreiheit?

Was bedeutet BITV 2.0 für Behörden konkret?

Für Verwaltungsteams ist die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) der zentrale gesetzliche Rahmen. Sie verpflichtet öffentliche Stellen des Bundes – und über länderspezifische Gesetze auch Landes- und Kommunalbehörden – dazu, digitale Angebote barrierefrei zu gestalten. Dazu zählen:

  • Webauftritte
  • PDF-Dokumente und Online-Formulare
  • Mobile Apps
  • Intranets und digitale Verwaltungsprozesse

Die BITV 2.0 orientiert sich dabei an den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, konkret an Level AA. Einige Bundesländer gehen sogar noch weiter: So fordert z. B. die HmbBITVO in Hamburg für bestimmte Anwendungen sogar Level AAA – das höchste Niveau der Barrierefreiheit.

Nutzt Ihre Organisation bereits Checklisten oder Testverfahren zur Barrierefreiheitsprüfung?

WCAG? BITV? EN 301 549? – Der Normen-Dschungel einfach erklärt

Digitale Barrierefreiheit ist gesetzlich geregelt – auf EU-, Bundes- und Landesebene. Doch der Überblick fällt oft schwer. Gerade in interdisziplinären Verwaltungsteams mit Beteiligten aus IT, Organisation und Fachbereich fehlt häufig die Transparenz, wer wofür verantwortlich ist. Um diese Komplexität greifbar zu machen, nutzen wir in Schulungen regelmäßig  eine Übersichtsgrafik, die den „Normen-Dschungel“ und damit die verschiedenen Ebenen der Gesetzgebung inkl. Ihrer Wirkung verständlich macht:

Grafik zeigt zwei umgekehrt dargestellte Trichter, die die rechtlichen Ebenen der digitalen Barrierefreiheit in Deutschland gegenüberstellen.   Links: Öffentliche Verwaltung – gestufte Ebenen von oben nach unten:   EU-Ebene: Richtlinie (EU) 2016/2102 und Norm EN 301 549   Bundesebene: BGG und BITV 2.0   Länder: Landesgesetze, z. B. BayBGG oder HmbBITVOKommunen: Unterliegen landesrechtlichen Vorgaben   Rechts: Privatwirtschaft   EU-Ebene: EAA – Richtlinie (EU) 2019/882   Bundesrecht: BFSG und BFSGVUnten:   Gemeinsame technische Basis: EN 301 549 (basierend auf WCAG 2.1, Level AA).   Logo: publicplan.
Die gesetzlichen Grundlagen zur Sicherstellung digitaler Barrierefreiheit in der öffentlichen Verwaltung und in der Privatwirtschaft.

Öffentliche Verwaltung: Mehrstufige Gesetzesstruktur

Für Behörden ergibt sich die Verpflichtung zur Barrierefreiheit aus mehreren Ebenen:

  • EU-Ebene: Richtlinie (EU) 2016/2102 und die technische Norm EN 301 549
  • Bundesebene: BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) und BITV 2.0
  • Länderebene: Eigene Gesetze und Verordnungen (z. B. BayBGG, HmbBITVO)
  • Kommunen: Müssen die landesrechtlichen Vorgaben umsetzen

Privatwirtschaft: Neue Pflichten ab Juni 2025

Für Unternehmen gilt seit dem 28. Juni 2025 der European Accessibility Act (EAA) in Verbindung mit dem deutschen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Die Anforderungen gelten, wenn das Unternehmen mind. 10 Mitarbeitende hat oder der Jahresumsatz über 2 Mio. Euro liegt

Betroffen sind u. a.:

  • Online-Shops
  • Bank- und Ticketautomaten
  • E-Book-Reader
  • Kundenservice-Software

Technische Grundlage: EN 301 549

Sowohl für öffentliche Stellen als auch für Unternehmen ist die EN 301 549 die zentrale technische Norm. Sie verweist direkt auf die Anforderungen der WCAG 2.1 (Level AA) und macht diese damit zur verbindlichen Richtschnur für digitale Barrierefreiheit in Europa.

In der Praxis bedeutet das: Wer Webseiten, PDF-Formulare oder Apps bereitstellt, sollte diese entlang der WCAG-Prinzipien – wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust – systematisch überprüfen und optimieren.

Fazit: Barrierefreiheit ist kein Zusatz – sie ist Pflicht und Haltung

Digitale Barrierefreiheit ist rechtlich verpflichtend – aber auch ein Ausdruck moderner, nutzerzentrierter Verwaltung und fairer Kundenansprache und Voraussetzung für eine inklusive und zukunftsfähige Digitalisierung. Wer heute digitale Angebote entwickelt, sollte Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken – fachlich, technisch und menschlich. Denn was für einige unverzichtbar ist, verbessert die Nutzerfreundlichkeit für alle.  

Sie möchten wissen, wie Ihre Behörde digitale Barrierefreiheit konkret umsetzen kann? Wir unterstützen Sie mit Checklisten, Schulungsmaterialien und Praxisbeispielen.

Nehmen Sie Kontakt auf – wir beraten Sie gern.

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