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21.10.2019

Online-Formulare sind gut, offene Schnittstellen noch besser!

Autor:in
André Claaßen
Das Interesse der Bürger:innen ist da. Mehr als die Hälfte der Deutschen würden ihre Behördengänge gerne online erledigen. Aber der jährlich erscheinende E-Government Monitor offenbart: Die Nutzungsquote der Bürger:innen ist sogar rückläufig. Woran liegt es? Neben dem Datenschutz und schlechter Auffindbarkeit werden vorrangig komplizierte Online-Prozesse als Hauptbarriere genannt. Daher stehen nutzerfreundliche Online-Angebote gegenwärtig im Fokus der Digitalinitiativen. Aber was ist besser als ein nutzerfreundliches Formular? Richtig, der Verzicht auf Formulare durch offene Schnittstellen. Mehr dazu in diesem Artikel.

Der Bescheid ohne Antrag

Der Onlinehandel hat früh erkannt, dass umfangreiche Bestellformulare keine gute Idee sind. Jedes zusätzliche Feld im Formular kostet Kunden und somit bares Geld. Daher arbeitet bspw. Amazon unermüdlich daran, dass Kauferlebnis so einfach wie möglich zu gestalten. Aktueller Höhepunkt ist der Kauf per Sprache. Der nächste gar nicht so unrealistische Schritt wäre dann die Lieferung der Ware vor dem Kauf.

Auch in der Verwaltung gibt es ähnliche Überlegungen. Im Innovationsprojekt ELFE hat die Hansestadt Bremen gezeigt, wie das Kinder- und Elterngeld alleine durch Mitteilung des Krankenhauses und Zustimmung der Eltern automatisch beantragt werden könnte. Beim Creative Bureaucracy Festival zeigte der Forscher Peter Kuhn (fortiss), wie Prozesse einer Verwaltung so gestaltet werden könnten, dass möglichst viele Formulare entfallen.

All diese Überlegungen beruhen auf der Nutzung von Schnittstellen (Computer-Interfaces) oder APIs (Application Programming Interfaces). Die zugrunde liegende Idee ist einfach: Können wir das Ausfüllen der Formulare nicht besser gleich dem Computer überlassen?

ELSTER: Die erfolgreichste Schnittstelle der deutschen Verwaltung

23 Millionen Bürger nutzten 2018 die elektronische Steuererklärung ELSTER. Damit ist die Software die erfolgreichste App der öffentlichen Verwaltung. Aber was macht ELSTER eigentlich so erfolgreich? Sind es besonders gelungenen Online-Formulare, wie bspw. die Anlage N?

Was viele Bürger:innen nicht wissen: Die meisten Steuermeldungen werden gar nicht über die Online-Formulare von ELSTER abgewickelt. Eine Anfrage der Digitalexpertin Anke Domscheit-Berg an die Bundesregierung deckte auf, dass zwischen 77 % und 94 % der Steueranträge elektronisch über eine Schnittstelle erfolgen. Diese Schnittstelle zu ELSTER hat den etwas prosaischen Namen ERiC (Elster Rich Client Interface). ERiC ermöglicht die Befüllung der Formulare durch Programme und Apps außerhalb der Verwaltung.

Es sind also nicht die nutzerfreundlichen Online-Formulare, die ELSTER attraktiv machen, sondern die Kommunikation mit den Finanzverwaltungen durch intelligente Apps für Bürger:innen, Unternehmen und insbesondere Steuerberater:innen. Von der DATEV über SAP bis hin zu WISO gibt es hunderte von Apps und IT-Verfahren, die mit ELSTER teilweise völlig lautlos im Hintergrund kommunizieren. ERiC ist der Stecker der Steuerverwaltung an die Prozesse der Zivilgesellschaft.

Schnittstellen sind die heimlichen Stars des Internets

Viele Menschen glauben, dass das Internet aus Webseiten besteht, die durch Google gefunden und von Menschen gelesen werden. Das ist ein Irrtum! Die meisten Inhalte im Internet werden von Maschinen gelesen und an Maschinen übertragen. Nur so wurde der globale Waren- und Dienstleistungsaustausch, den wir heute kennen, überhaupt erst möglich.
All das wird erreicht durch die oben vorgestellten APIs und Schnittstellen. Sie bilden die Grundlage für das sogenannte programmierbare Web und ermöglichen es, mit ganz unterschiedlichen Benutzeroberflächen auf einheitliche Dienste zuzugreifen. Einfache Dienste, wie Microsoft Flow oder IFTTT ermöglichen es sogar jedermann, völlig ohne Programmierkenntnisse ihre persönlichen Prozesse zu automatisieren. Dafür sind keine Programmierer:innen, keine IT-Fachkräfte und keine Beschaffung erforderlich.

Das OZG der offenen Schnittstellen

Stellen wir uns einmal vor, dass alle 575 geplanten OZG-Leistungen stünden nicht nur als Formular, sondern als offene Schnittstellen für Bürger:innen und Unternehmen zur Verfügung. Wir sind sicher: Es würde ein neuer Markt an Lösungen entstehen, der die Behördenkommunikation dramatisch vereinfacht.

  • Die Wohnungsbaugesellschaft könnte ihre Wohnungsgeberbescheinigungen automatisch erstellen.
  • Der Autohändler die KFZ-Zulassungen automatisch anfordern.
  • Apps, wie das zuvor erwähnte ELFE, könnten jetzt unabhängig von der Verwaltung auch von Bürger:innen und Unternehmen entwickelt werden.
  • Studierende könnten selbst die perfekte BAföG Antrags-App entwickeln.
  • Und die Verwaltung wäre von der drückenden Last befreit, immer wieder neue Formulare zur Antragstellung zu entwickeln.

Sind APIs überhaupt sicher?

APIs sind Schnittstellen für Maschinen. Formulare sind Schnittstellen für Menschen. Technisch steckt hinter jedem Formular ohnehin eine technische Schnittstelle. Denn die im Formular erfassten Informationen müssen ja von einem Programm ausgelesen werden. Es werden also sowohl im Formular als auch in der Schnittstelle identische Daten verarbeitet. Und daher müssen die gleichen Sorgfaltspflichten gelten. Die wichtigere Frage ist nur, ob die Schnittstelle offengelegt wird oder nicht.

Offene Schnittstellen als Königsweg zur digitalen Verwaltung

Wenn die Verwaltung einen Teil ihrer Energie nicht in nutzerfreundliche Formulare, sondern in offene Schnittstellen investieren würde, wäre sie die Last los, das perfekte Formular erfinden zu müssen. Ohnehin ist das perfekte Formular ein frommer Wunsch. Die technische Entwicklung schreitet unaufhörlich fort und kein Mensch weiß heute genau, wie die Computernutzung in fünf oder zehn Jahren aussieht.

Wäre es vielleicht bereits in naher Zukunft wünschenswert, dass Behördenanliegen per Sprache oder digitale Assistenten erledigt werden? Schon heute ist ein Chatbot in vielen Fällen der bessere Weg zur Behördenkommunikation als das Formular.

Offene Schnittstellen würden es den Behörden erlauben, ihre eigenen Verwaltungsprozesse zu optimieren. Und die perfekte Benutzeroberfläche? Die käme dann von der Zivilgesellschaft. Warum eigentlich nicht?

Sie wollen mehr darüber erfahren, wie sich die digitale Verwaltung mit moderner Technologie und kreativen Einfällen weiterentwickeln kann? Dann schauen Sie in unserem Blog vorbei. Bei Fragen zu Umsetzungen in Ihrer Behörde, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme!

Autor:in
André Claaßen
André Claaßen ist Digitalexperte aus Leidenschaft. Der studierte Informatiker hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung, IT-Projekten und der Verwaltungswirtschaft. In den letzten Jahren hat er sich auf die Themenfelder Agile Arbeit, Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz spezialisiert. Er ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung der Verwaltung insbesondere für deren Mitarbeiter eine große Chance ist. Diese erschließt sich vor allem dann, wenn Mitarbeiter, Bürger und Nutzen im Zentrum der Veränderung stehen.
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