Digitale Lösungen schnell, flexibel und ressourcenschonend umsetzen – genau das fordern immer mehr öffentliche Einrichtungen. In diesem Kontext gewinnen Low-Code- und No-Code-Plattformen zunehmend an Bedeutung. Doch die verschiedenen Plattformen unterscheiden sich klar in ihren Einsatzmöglichkeiten, sodass jede gezielt für spezifische Anforderungen genutzt werden kann. Wir haben Christian Klingenberg (Sales Solution Manager für Low Code) zu den Unterschieden im Einsatz von Low Code in Verwaltungen befragt, welche Missverständnisse sich hartnäckig halten und wie er die Zukunft mit Low-Code-Plattformen sieht:
Wo liegt der Unterschied zwischen Low Code und No Code?
Low Code ist wie Lego® für die Softwareentwicklung: Mit vorgefertigten Bausteinen und visuellen Tools baust du komplexe Anwendungen schnell und effizient. Hier sind technische Kenntnisse hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. Es ist ideal für entwicklungsintensive Lösungen, bei denen Fachanwendende und Entwickler:innen zusammenarbeiten.
No-Code hingegen ist mehr wie Playmobil®: Du nutzt fertige Komponenten und Drag-and-Drop-Funktionen, um einfache Apps oder Prototypen schnell zu erstellen – perfekt für Anwendungen mit klaren Anforderungen, wie Umfragen oder Formularstrecken.
Diese beiden Entwicklungsmethoden können hervorragend spezifische Probleme lösen
- Digitalisierung von Nischenprozessen: Viele spezifische Abläufe in Fachbereichen rechtfertigen oft keine aufwändige Individualentwicklung. Durch Low-Code-Programmierung können sie trotzdem kosten-effizient digitalisiert werden.
- Formularwesen und Antragsstrecken: Erstellung und Verwaltung digitaler Formulare und einfacher Antragsverfahren
- Interne Workflow-Automatisierung: Genehmigungsprozesse, Datenweiterleitungen, Aufgabenmanagement
- Datenerfassung und einfache Auswertungen: Entwicklung kleinerer Datenbankanwendungen oder Dashboards für spezifische Zwecke
- Schnelle Prototypen: Ideen schnell visualisieren und testen, bevor eine große Investition getätigt wird
Während No Code vor allem für schnelle, einfache Anwendungen geeignet ist, bietet Low Code deutlich mehr Flexibilität und Möglichkeiten, besonders für komplexe digitale Lösungen.
Aber warum genau ist Low Code gerade für den öffentlichen Sektor so entscheidend?
Low Code ist weit mehr als nur ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung: Es ist ein strategischer Hebel, um die digitale Souveränität der Verwaltung zu stärken, die Partizipation der Fachbereiche an der Digitalisierung zu fördern und dem steigenden Druck durch Erwartungshaltung und Ressourcenknappheit zu begegnen. Richtig implementiert und gesteuert, können Low-Code-Plattformen die digitale Transformation signifikant beschleunigen und modernisieren.
Christians Hypothese lautet: Low-Code-Plattformen sind ein fundamentaler Baustein, um die digitale Transformation des öffentlichen Sektors erfolgreich zu gestalten. Sie ermöglichen es Behörden, dem wachsenden Bedarf an digitalen Lösungen trotz Ressourcenknappheit gerecht zu werden, indem sie die Anwendungsentwicklung beschleunigen, Kosten senken und die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen neu definieren.
- Schnellere Entwicklung: Low Code ermöglicht eine schnellere Anwendungsentwicklung durch visuelle Modellierung und Drag-and-Drop, was schnellere Reaktionen auf neue Anforderungen ermöglicht und Fristen einhält, im Vergleich zu traditioneller Programmierung
- Einfache Integration: Die Unterstützung offener Standards, wie beispielsweise der XÖV-Standards, wird immer wichtiger. Mit offenen APIs integrieren sich Low-Code-Plattformen problemlos in bestehende Fachverfahren, Datenbanken und Infrastrukturkomponenten und vermeiden Medienbrüche, was durchgängige digitale Prozesse fördert.
- Fachkräftemangel lösen: Während spezialisierte Programmierer:innen Mangelware sind, können IT-affine Fachbereichsmitarbeitende ("Citizen Developer") mit Schulung und Governance (Regelwerk für den Einsatz) aktiv an der Entwicklung teilnehmen, während Entwickler:innen entlastet werden und sich auf komplexe Kernaufgaben konzentrieren.
- Kosteneffizienz: Kürzere Entwicklungszeiten senken Kosten. Zudem ist die Wartung von Low-Code-Anwendungen effizienter als bei individuell programmiertem Code.
- Flexibilität und Agilität: Low Code ermöglicht schnelle Anpassungen an Änderungen in Gesetzen und Prozessen und unterstützt die schnelle Erstellung von Prototypen und Minimal Viable Products (MVPs).
Trotzdem halten sich einige Missverständnisse über Low Code
Häufige Missverständnisse über Low Code sind, dass es nur für "Spielzeug-Anwendungen" geeignet sei – tatsächlich können auch komplexe, geschäftskritische Anwendungen entwickelt werden. Zudem wird oft angenommen, dass Low Code zu unkontrollierbarer Schatten-IT führt, was nur bei fehlender Governance zutrifft. Professionelle Plattformen bieten jedoch umfassende Steuerungsmechanismen. Ein weiteres Missverständnis ist, dass Low-Code unsicher sei – die Sicherheit hängt jedoch von der richtigen Anwendung ab. Schließlich ersetzt Low-Code keine Entwickler, sondern verändert ihre Rolle, indem es ihnen ermöglicht, sich auf komplexe Aufgaben zu konzentrieren und als Berater zu agieren.
Wo siehst du Low Code in 5 Jahren im öffentlichen Sektor?
In 5 Jahren erwarte ich, dass Low Code ein etablierter Bestandteil der IT-Strategie in vielen deutschen Behörden sein wird. Schon jetzt ist eine breitere Akzeptanz sichtbar, die sich über verschiedene Verwaltungsebenen hinweg erstreckt. Zunehmend werden komplexere Anwendungen mit Low Code entwickelt, die tiefere Integration in bestehende Fachverfahren und Backend-Systeme ermöglichen. Ebenso zeichnen sich ausgereifte Governance-Modelle und Best Practices ab, die den Einsatz im öffentlichen Sektor optimieren.
Eine weitere Entwicklung wird die verstärkte Einbindung von KI-Funktionen in Low-Code-Plattformen zur Prozessautomatisierung und Entscheidungsunterstützung sein. Gleichzeitig wird eine klare Rollenverteilung zwischen IT-Profis und geschulten Citizen Developern innerhalb klar definierter Leitplanken etabliert. Dies wird sich weiter über alle Rollen und Instanzen hinweg festigen.
Ich bin absolut überzeugt, dass Low Code und No Code nicht nur Trends sind – sie sind der nächste evolutionäre Schritt der Softwareentwicklung. Beide Ansätze demokratisieren die Technologie und ermöglichen es, Anforderungen schnell, effizient und qualitativ hochwertig zu verwirklichen. Im Übrigen ist auch Gartner der Meinung, dass bis 2029 in 80% der globalen Unternehmen Low-Code-Anwendungsplattformen (LCAPs) für die geschäftskritische Anwendungsentwicklung eingesetzt werden wird.
Während sich Low Code also in den kommenden Jahren zunehmend etabliert, ist es entscheidend, dass der Weg dorthin strategisch und mit Bedacht geebnet wird. Die rasante Entwicklung und zunehmende Integration von Low-Code-Anwendungen im öffentlichen Sektor erfordert eine klare Ausrichtung und strukturierte Vorgehensweise.
Christians Top 5 für den Einstieg mit Low Code
- Strategische Verankerung und sorgfältige Plattformauswahl: Betrachten Sie Low Code nicht isoliert, sondern als Teil Ihrer Gesamt-Digitalisierungsstrategie. Definieren Sie klare Ziele und Anwendungsfelder. Wählen Sie Plattformen gezielt aus – achten Sie auf Sicherheit, Skalierbarkeit, Integrationsfähigkeit (APIs), Governance-Optionen, Lizenzmodelle und Branchenerfahrung. Aspekte wie Datenhoheit sollten dabei besonders berücksichtigt werden.
- Governance etablieren: Legen Sie vor dem breiten Rollout klare Regeln fest: Wer darf was entwickeln? Welche Arten von Anwendungen? Wie sehen Test- und Freigabeprozesse aus? Wie wird die Sicherheit gewährleistet? Binden Sie Ihren Personalrat, ihre IT-Sicherheit und den Datenschutz frühzeitig ein.
- Pilotprojekte starten: Beginnen Sie mit überschaubaren, aber relevanten Anwendungsfällen in 1 oder 2 Pilotbereichen. Sammeln Sie Erfahrungen und bauen Sie Know-how auf.
- Befähigung und Zusammenarbeit fördern: Schulen Sie ausgewählte Mitarbeitende (sowohl IT als auch Fachbereich) im Umgang mit der Plattform und in Methodenkompetenz (z. B. Prozessanalyse). Fördern Sie eine Kultur der Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen.
- Kommunikation: Erklären Sie transparent die Ziele, Chancen und auch die Grenzen von Low Code innerhalb Ihrer Organisation, um Akzeptanz zu schaffen und Missverständnissen vorzubeugen.
Lesen Sie hier ein weiteres Interview mit Christian Klingenberg zum Einsatz von Low Code in der öffentlichen Verwaltung, ebenso wie seine persönliche Motivation mit Low Code zu arbeiten: Mehr digitale Souveränität mit Low Code