E-Government
Vom:
2.4.2020

Wie Sie das Single Digital Gateway für ihre Digitalisierungsstrategie nutzen

Autor:in
André Claaßen
Single Digital Gateway: Einheitliches digitales Zugangstor der EU – wäre es nicht schön, wenn ein einfacher digitaler Zugriff auf alle wichtigen europäischen Verwaltungsangebote von überall aus möglich wäre? Und wäre eine Erleichterung, wenn ein deutsches Unternehmen die Verwaltungsangelegenheiten seiner Mitarbeiter im europäischen Ausland online vom Standort aus regeln könnte? Diese Vision von grenzüberschreitenden digitalen Behördengängen ermöglicht die EU-Verordnung 2018/1724, die am 2. Oktober 2018 in Kraft trat. Sie legt die Grundlage für eines der ambitioniertesten Projekte der EU: Das Single Digital Gateway (SDG), die Schaffung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Verwaltungs- und Informationsangeboten.

Die drei Säulen des Single Digital Gateways: Informationen, Verfahren und Hilfsdienste

Das geplante Portal basiert auf drei Säulen:

  • Informationsbereitstellung über Regelungen und Rechte
  • digitale Verfahren
  • Hilfs- und Problemlösungsdienste

Alle Angebote werden in das Portal „Your Europe“ eingebunden, welches im Zuge der Umsetzung vollständig umgebaut wird.

Säule 1: Informationsbereitstellung

Die erste Säule dient der Bereitstellung von Informationen für Bürger:innen und Unternehmen über Regelungen und Rechte aller EU-Mitgliedstaaten. Es gibt insgesamt 17 Themenfelder für Bürger:innen und Unternehmen, von der Geburtsurkunde bis hin zur Unternehmensgründung. Die Themenfelder decken die wichtigsten Verwaltungsleistungen für Bürger:innen und Unternehmen für den europäischen Binnenmarkt ab.
Jeder EU-Mitgliedstaat ist für die Pflege und Redaktion der Angebote selbst verantwortlich. In Deutschland übernehmen das Bund und Länder in Abstimmung mit dem IT-Planungsrat.

Säule 2: Verfahren

Ein Herzstück des SDG bilden 21 digitale Verfahren für Verwaltungsvorgänge, die europaweit online abgewickelt werden können. Dazu gehören unter anderem die Ausstellung der Geburtsurkunde, der Umzug, die Anerkennung von akademischen Titeln, die Beantragung von Sozialversicherung und Steuern, sowie die Gründung und Schließung von Unternehmen. Für die 21 Verfahren gelten besondere fachliche Anforderungen.

Säule 3: Hilfs- und Problemlösungsdienste

Die Bürger:innen und Unternehmen sollen mit dem neuen Portal nicht allein gelassen werden. Sie haben bei der Nutzung des SDG Anspruch auf eine kompetente und zeitnahe Unterstützung bei Problemen und Fragen. Zusätzlich werden bestehende und momentan noch zerstreute europäische Informationsangebote in das Portal eingebunden. Über eine leistungsfähige Suchmaschine sollen Nutzer auf alle Informationen des neuen Portals zugreifen können.

Besonderheiten des SDG aus Sicht der Verwaltungsdigitalisierung

Das Single Digital Gateway verfolgt das Ziel, möglichst gleiche Bedingungen für alle Bürger:innen und Unternehmen im europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Damit das gelingt, stützt sich das Single Digital Gateway auf einige Prinzipien, die auch Auswirkungen auf die Umsetzung von Leistungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) haben.

Prinzip 1: Diskriminierungsfreiheit

Diskriminierungsfrei sind digitale Angebote, bei deren Nutzung kein Nachteil durch Herkunft, Standort oder Sprache entsteht.

Es ist beispielsweise diskriminierend, wenn

  • Sie Bezahlungsmöglichkeiten fordern, die in anderen Ländern nicht genutzt werden können.
  • Ihre Verwaltungslösung Eingabefelder hat, die es nicht möglich machen, Adressen oder Telefonnummern eines anderen Landes einzugeben.
  • Ihre Verwaltungslösung nicht mit Sonderzeichen und Umlauten einer anderen Sprache umgehen kann.
  • Sie fachliche Merkmale plausibilisieren, die in anderen Ländern gar nicht existieren, wie zum Beispiel die deutsche Sozialversicherungsnummer.
  • Sie nur den neuen Personalausweis für Dienste mit dem Vertrauensniveau „hoch“ akzeptieren.

Die Umsetzung der Diskriminierungsfreiheit ist eine Herausforderung. Viele deutsche Fachverfahren sind bislang auf eine rein nationale Nutzung ausgelegt. Die Identifikation der EU-Bürger soll über die eIDAS-Verordnung mit allen nationalen Identifizierungstechniken möglich werden. Eine technische Lösung wird über den Portalverbund bereitgestellt.

Prinzip 2: Once Only-Prinzip (OOP)

Beim Once Only-Prinzip (OOP) geht es darum, dass Informationen und Nachweise, die den Behörden bereits vorliegen, nicht nochmals erfasst werden müssen. Die Umsetzung dieses Prinzips ist im grenzüberschreitenden europäischen Verwaltungsverkehr unter Berücksichtigung des strengen Datenschutzes in Deutschland eine echte Herausforderung. Für den sicheren Austausch von Daten und Nachweisen zwischen den europäischen Behörden wird die EU ein eigenes technisches System bereitstellen, das künftig in den geplanten Portalverbund integriert werden soll.

Eine besondere Herausforderung bei der Umsetzung von Once Only sind die in Deutschland fehlenden Register. Viele Fachdaten sind deutschlandweit in unterschiedlichen Formaten ohne eindeutigen Personenbezug verteilt. Eine bundesweit eindeutige Personenkennziffer ist auf Grund des strengen Datenschutzes in Deutschland nicht zulässig. Der IT-Planungsrat hat im Jahr 2019 dazu eine Arbeitsgruppe gebildet, die ein Konzept und Lösungsansätze erarbeiten soll.

Prinzip 3: Qualitätsmanagement und Nutzerzentrierung

In der Vergangenheit waren die Erfahrungen mit neuen E-Government-Angeboten oft ernüchternd. Im schlimmsten Fall wurden digitale Verwaltungsangebote von Bürger:innen nicht gefunden oder nicht genutzt. Die EU hat dazu gelernt und wird die neu zu schaffenden Verfahren im Single Digital Gateway auf vielfältige Weise überwachen:

  • Bürger:innen und Unternehmen können künftig ein Feedback geben, wie zufrieden sie mit den Verwaltungsangeboten sind. Die Ergebnisse des Nutzerfeedbacks werden nicht nur für alle transparent gemacht, sondern auch von der EU geprüft.
  • Die Qualität aller Angebote im Portal wird von der EU-Kommission und den nationalen Koordinatoren überwacht. Verschlechtert sich die Qualität drastisch, greift die EU-Kommission ein. Sogar die Abschaltung von Diensten und Angeboten durch die EU ist möglich.
  • Das Single Digital Gateway soll prominent mit einem eigenen Qualitätslogo in den nationalen Portalen verlinkt werden.

Wie sieht der Zeitplan zur Umsetzung des Single Digital Gateways aus?

Für die Umsetzung der Verordnung gelten drei Fristen:

  • Die Informationsangebote und Hilfsdienste sind bis spätestens zum 12. Dezember 2020 umzusetzen. Laut IT-Planungsrat ist dieser Punkt für Deutschland für die einfachen Informationsangebote umgesetzt.
  • Die Städte und Gemeinden haben zwei weitere Jahre Zeit für die Einrichtung von erweiterten Informationsdiensten, also bis zum 12. Dezember 2022.
  • Die 21 digitalen Verfahren bilden das Herzstück der Verordnung und sind spätestens bis zum 12. Dezember 2023 zu realisieren.

Für alle Fristen gilt: Es gibt keine Nachfristen oder Ermessensspielräume.

Tipps für ihre Digitalstrategie

In den kommenden Monaten wird das Thema Single Digital Gateway an Bedeutung gewinnen. Mit Blick auf die besonderen Anforderungen in Folge der EU-Verordnung sind folgende Dinge zu beachten:

  • Nutzen Sie nach Möglichkeit Produkte auf Open-Source-Basis mit großer internationaler Beteiligung. Dadurch ist die Verarbeitung internationaler Formate sichergestellt.
  • Achten Sie bei der Umsetzungsstrategie des OZG auf die Prinzipien des SDG: Diskriminierungsfreiheit, Nutzerfreundlichkeit und überwachte Qualität.
  • Sprechen Sie bezüglich Diskriminierungsfreiheit ihre Lösungsanbieter an.
  • Setzen Sie bei der Umsetzung des OZG nicht auf Schnelligkeit, sondern auf Nachhaltigkeit. Überlegen Sie, wie Ihre Verwaltungsangebote nach der Zeit des OZG genutzt werden können.

Die EU-Initiative zur Schaffung eines europäischen digitalen Zugangstors stärkt nicht nur den europäischen Binnenmarkt, sondern auch die Bemühungen zur Digitalisierung der Verwaltung. Wir unterstützen Sie dabei gerne!

Autor:in
André Claaßen
André Claaßen ist Digitalexperte aus Leidenschaft. Der studierte Informatiker hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung, IT-Projekten und der Verwaltungswirtschaft. In den letzten Jahren hat er sich auf die Themenfelder Agile Arbeit, Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz spezialisiert. Er ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung der Verwaltung insbesondere für deren Mitarbeiter eine große Chance ist. Diese erschließt sich vor allem dann, wenn Mitarbeiter, Bürger und Nutzen im Zentrum der Veränderung stehen.
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